FREIES WORT. Poulenc – Double concerto

FREIES WORT
February 1996

The conductor Oleg Caetani and pianists Konstantin Scherbakov and Oleg Marshev are on the same spiritual wavelength.. Their respective biographies make impresseive reading, raising expectations which are not disappointed in their performances.

It was thanks to the two world-class pianists Konstantin Scherbakov and Oleg Marshev that the audience enjoyed the Poulenc concerto so much. They fully exploited the possibilities given them by the composer, playing with virtuosity, wit, temperament, elegance and imagination…Despite their highly contrasting physical approaches at the keyboard – one concentrated and introspective, the other showing his emotions more readile – their ensemble never faltered.

Russische “Troika” und exzellente philharmonie

Suhler Publikum feierte Solisten und Orchester

Manchmal führt den Zufall eine glückliche Hand, Jene drei hochsensiblen Künstler mit der einstmals gemeinsamen Heimat Sowjetunion und heute in Westeuropa zu Hause, die sich am Mittwoch auf der Bühne des Hauses Philharmonie in Suhl zusammenfanden, waren in dieser Konstellation in der Tat ein Glücksumstand: Dirigent Oleg Caetani und die Pianisten Konstantin Scherbakov und Oleg Marshev. Deren geistige wie musikalische Wellenlänge konnten wir, das Publikum, genießen und ihre höchst vitalen Biographien achtungsvoll zur Kenntnis nehmen. Biographien, die sich nicht nur gut lesen, sondern künstlerisch entsprechend untersetzt sind. Also: Dieses russische “Dreigestirn” und eine hervorragend aufgelegte T’hüringen-Philharmonie verzückten derart das begeisterte Publikum, daß man selbst eupliorisches Pfeifen, was eher junge Leute bei Rock- oder Pop-konzerten als gängige Sympathiebekundung praktizieren, in solch seriösem Ambiente gar nicht mehr als anstößig empfindet. Ein Konzert, das schimmerte, funkelte und bestes Muszier-verständnis der Philharmoniker und ihrer Gäste artikulierte.

Dabei fing der Abend noch recht “harmlos” an: Auftakt mit einer akzentuiert gespielten fünften Schubert-Sinfonie, in kräftigen wie lyrischen Passagen solide ausgeführt, mit tonlich ansprechenden Leistungen solistischen der Holzbläser vor allem im zweiten Satz und fulminantes Ende mit Schostakowitsch’s 6. Sinfonie, Tosender Beifall, kaum daß der letzte Ton verklang – das will etwas heißen, denn Schostakowitsch ist kein Mozart, Tschaikowski oder Beethoven. Vor zwei Jahren schon hatte die Philharmonie unter Olaf Koch mit der Fünften von Schostakowitsch eine meisterhafte Interpretation angeboten. Nun sind beide Kompositionen zwar nicht vergleichbar, und die fünfte Sinfonie ist wahrscheinlich in ihrer thematischen Ausdeutung erschütternder, doch musikalisch hat auch die sechste ihre Wirkung. Dazu Oleg Caetanis empfindsames Verständnis für die äußerst farbig wie monumental instrumentierte Schöpfung, 1939 in Leningrad Uraufgeführt. Unter Caetanis wenig gestischem, aber prägnanten Dirigat wurden die dem Werk innewohnenden, sich bis zum Schluß steigernden expressiven Spannungsbügen mit einem engagiert spielenden Klangkörper intelligent herausgearbeitet, worauf schließlich ein Gutteil der Faszination beruhte, Und zwischen dem ruhigen Schubert und dem opulenten Schostakowitsch lag jenes ungewöhnlich reizvolle Kontrast-Werk von Francis Poulenc, bis dato den meisten wohl unbekannt. Daß es viele aus dem Publikum jetzt mögen werden, ist auch den beiden Welt-Klasse-Solisten Konstantin Scherbakov und Oleg Marshev zu verdanken. Sie griffen voll zu auf die Möglichkeiten, die Poulenc den Solisten läßt – virtuos, witzig, temperamentvoll, elegant, phantasievoll mit dem Notenmaterial zu spielen, fast wie mit Bällen. Obwohl äußerlich völlig verschieden im Spiel – der eine mehr konzentriert und verinnerlicht, der andere den Emotionen stärker hingegeben – drifteten sie nie auseinander. Ein Umstand, der von den beiden offensichtlich auch vortrefflich benutzt wurde.

Lilian Klement